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Föhnsturm 22.10.2013

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
Chicken3gg
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Re: Föhnsturm 22.10.2013

Beitrag von Chicken3gg »

Rontaler hat geschrieben:
Cedric hat geschrieben:Blöde Frage: Wieso stösst der Föhn denn eigentlich ins Tal, gefüllt mit Kaltluft vor? Was bringt die Luft derart zum Absinken wenn sie sich doch "ausgeregnet" auf dem Alpenhauptkamm befindet. Wieso nicht auf 3km bleiben und nach Norden ziehen? Lokales Tiefdruckgebiet am Boden?
Glarus hatte z.B. etwa 2-3h lang 10K weniger als Altdorf
Was mich hierzu noch interessieren würde:

Woher stürzt der Föhn im Kt. Glarus eigentlich herunter? Müsste doch eigentlich via Panixerpass (2'407 m) sein? Macht insofern Sinn, als dass adiabatisch heruntergerechnet 1-2 °C mehr Tmax in GLA als ALT drinliegen (Gotthardpass 2'106 m), sieht man regelmässig, dass wenn Föhn in Glarus ankommt, dieser auch etwas wärmer ist als in Altdorf.

Edit: Der zweite "Föhnstrom" des Kt. Glarus müsste, rein auf das Relief bezogen, vom Ochsenstock (2'245 m) her in Richtung Tal fliessen.

Bild
Quelle: Google Maps (http://maps.google.ch), eigene Bearbeitung
Gut, 300 Höhenmeter sind trockenadiabatisch 3K, aber beim feuchtadiabatischen Aufstieg gehen doch höchstens 0.1-0.2K pro 100m verloren!? Also machen die 300 Höhenmeter meiner Meinung nach theoretisch nur ca. 0.5°C aus in Glarus im Vergleich zu Altdorf. Oder missinterpretiere ich da was?

Aber schlussendlich kann Föhn ja auch aus 3-4km Höhe runterfliessen, oder eben wie am 22. geschehen, über dem Mittelland bis an die deutsche Grenze vorstossen, ohne überhaupt ins Tal (also jetzt Mittelland) zu gelangen
Zuletzt geändert von Chicken3gg am Do 24. Okt 2013, 13:55, insgesamt 1-mal geändert.

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Rontaler
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Re: Föhnsturm 22.10.2013

Beitrag von Rontaler »

@ Cedric: Primär geht es mir darum zu verstehen, wo der Föhn in der Regel ins Glarnerland hinunterstürzt. Im Urnerland ist es via Gotthardpass hinunter, wo ist es also im Glarnerland? Das möchte ich wissen. :)

Deine Theorie nicht ganz richtig, trockenadiabatisch 1 °C pro 100 m, feuchtadiabatisch 0.6 °C pro 100 m. Bei Föhn gewinnt die Luftmasse +/- 0.4 °C pro 100 m. Bei 300 m Höhenunterschied 1.2 °C mehr als in Altdorf. Da kommen meine 1-2 °C Unterschied ganz gut hin. ;)
Zuletzt geändert von Rontaler am Do 24. Okt 2013, 14:58, insgesamt 1-mal geändert.
Wetterfanatisch mit Leib und Seele. :)


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Federwolke
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Re: Föhnsturm 22.10.2013

Beitrag von Federwolke »

Der Blogbeitrag steht nun und beantwortet auch einige der oben aufgetauchten Fragen: http://www.fotometeo.ch/news/lokale-wet ... este-urner

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Silas
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Re: Föhnsturm 22.10.2013

Beitrag von Silas »

@Andreas und Joachim
Danke für eure Analysen!
@fankyy
Genau beobachtet!

Ergänzend füge ich zwei Tagesgrafiken an: Zuerst diese von gestern Mittwoch Abend aus Oberhünigen. Auch dort wurden ganz ordentliche Windböen registriert. Man beachte jedoch, dass Feuchtigkeit und Temperatur kaum reagieren:

Bild
Quelle: www.oberhuenigenwetter.ch

Ganz anders am Dienstagabend: Das war einer dieser seltenen Tage, wo der Föhn eindeutig bis zu uns ins Oberthal vorgestossen ist. Obschon bezüglich der Windstärke nur leicht angedeutet, findet ein markanter Temperaturanstieg und Feuchtigkeitsabfall statt. Zudem stimmt auch die Windrichtung, denn im S befindet sich ein Hügel, das heisst, wenn Föhn, dann als "Bergwind" aus SO vom Eggiwil her (das wäre doch einmal interessant zu wissen, wo die Luftpartikel, die bei Föhn den Weg zu uns finden, wirklich die Alpen herunterstossen, ev. aus höheren Schichten und daher um 7-Hängste/Hohgant noch nicht den Boden erreichend?):

Bild
Quelle: www.emmewetter.ch/silas

Gruss Silas
Wetterstation Oberthal 850 m.ü.M.: http://silas.emmewetter.ch

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Joachim
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Re: Föhnsturm 22.10.2013

Beitrag von Joachim »

Hoi zäme

Föhnwärme entsteht weder durch Reibungswärme...noch klappt das mit dem feuchtadiabat. Auf- und trockenadiabat. Abstieg in der Realität.
Hydrodynamischer Prozess...wie Überströmen von Steinen durch Wasser... hinter dem Hindernis wird das Wasser (analog die Luft) gezwungen abzusteigen.

Direkt am Alpenkamm stammt die Föhnluft von den Pässen ... je weiter vom Alpenkamm entfernt, aus umso grösseren Höhen "stürzt" die Luft herunter.
Entsprechend ist Vaduz bei ausgeprägtem Föhn stets 2-3 K wärmer als Chur.

Kaltluftkissen im Südstau und kalte bodennahe Luft sowie Stabilität der heranströmenden Luft aus Süden (Herbst mit warmem Mittelmeer labiler als im Hochwinter) und vor allem die genaue Anströmrichtung (Südost ist nicht Südwest) sorgen für die grosse Bandbreite der Föhnphänomene.

http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6hn# ... 6hntheorie

Grüsslis

Joachim

Chicken3gg
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Re: Föhnsturm 22.10.2013

Beitrag von Chicken3gg »

Danke allen für die Antworten.

fankyy
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Re: Föhnsturm 22.10.2013

Beitrag von fankyy »

Vielen Dank an alle für die zahlreichen Feedbacks und Informationen zum "Thuner Jet".
Andreas -Winterthur- hat geschrieben: Hallo fankyy

Ein kleines und feines kleinräumiges Phänomen hast du da beschrieben. Ich habe die Situation von gestern Abend in der Region Thun mal etwas genauer unter die Lupe genommen.
Sälü Andreas, Danke vielmals für die ausführliche Analyse und die Grafiken :up:

Also ist es als durch den Niederschlag verstärkten Bergwind zu verstehen(?) oder wäre dieser Effekt unabhängig der Tageszeit immer gleich stark? Und ja, gerade bei Gewittern im Raum Berner Oberland ist mir das Phänomen schon sehr oft aufgefallen und hatte dann auch an eine Art Ausfliessen gedacht.

Interessant finde ich, dass dieser SO-Wind bei verschiedenen Wetterlagen auftritt und nicht immer dieselbe Ursache zu haben scheint:

- Zum einen als normale Erscheinung im Tagesgang als Tal- & Bergwindsystem
- Zum anderen in verstärkter Form durch Niederschlag im BeO, bzw. wet drainage flow, wie von Joachim und Andreas beschrieben
- Ganz ganz ganz ganz selten und eher nur in kurzen Schüben als echter Föhnwind bei sehr starken Föhnlagen, dann auch deutlich wärmer
- Allerdings oft anfänglich bei SW-Windlagen, zumindest bevor der Wind in anderen Regionen weiter westlich gedreht hat und/oder wenn unten noch Kaltluft vorherrscht. Oder spätestens aber mit (nicht schleifendem) Kaltfrontdurchgang ändert die Windrichtung dann auch in der Region Thun, Gürbe- und Aaretal auf West oder Nordwest und weht dann dafür, zumindest an exponierten Stellen auch sehr heftig. Meist kurz aber heftig (man denke an die relativ hohen Maximalböen der ehemaligen MeteoSchweiz ENET-Messtelle in Amsoldingen bei Stürmen wie Lothar, Joachim, ...) Auf dieses Phänomen werde ich aber wohl besser bei anderer Gelegenheit weiter eingehen.

Zurück zur SW-Wind Lage: wird dabei der von Simmen- und Kandertal stammende SW-Wind über dem Thunersee talbedingt einfach zu einem SO-Wind umgelenkt oder wie sieht da die Strömung genau aus?

Jedenfalls habe ich bei Durchzug von grösseren/nahen Sturmtiefs in Gurzelen und Seftigen immer zuerst SO-Wind beobachtet, während im Rest der Deutschschweiz schon lange SW-Wind herrschte. Ein besonders extremes Beispiel: Am 01./02.02.2013 war ich gegen Mitternacht für ein kurzes spontan-Chasing auf dem Belpberg (ca. 890m) und konnte eine 104 km/h Böe aus SW messen. Nur 250m tiefer in Mühledorf/Kirchdorf war es nahezu windstill und in Seftigen/Gurzelen die ganze Zeit über leichter SO-Wind mit 10 - 30 km/h, Thun ca. 20 - 40 km/h. Scheinbar glitt damals der SW-Wind über die Kaltluft im Gürbe-/Aaretal und schaffte es dann erst sehr spät und in abgeschwächter Form aus westlicher Richtung hinunter (~ 55 km/h).

@Federwolke: Guter Bericht und tolle Fotos im Blogbeitrag :up:

@Silas: Danke : )
Trotz unterschiedlicher Höhe & Windrichtung, sieht die Tagesgrafik zum Abend vom 23.10.13 aus Oberhünigen, meinen Werten aus Seftigen & Ober-Gurzelen sehr ähnlich (abgesehen von Regen, Temperatur und eben Windrichtung). Auch da ist die Feuchte nur ganz knapp auf 70 % gefallen, die Temperatur jedoch auf 14.8°c gestiegen. Zum besseren Vergleich füge ich meine Grafiken auch noch an:

Ober-Gurzelen 670m:
Bild

Seftigen 650m:
Bild

Man beachte die unterschiedlichen Zeitpunkte des Mittelwind-Peaks zwischen Seftigen und Gurzelen. Die Stationen sind nur ca. 1,5 km voneinander entfernt. Man beachte auch, dass in Seftigen (noch) auf nur 2m Höhe gemessen wird. Man beachte jedoch nicht: die Regenwerte, da steht bei beiden Stationen noch eine Wartung an...

Für richtige Föhnluft am 22. Oktober hingegen hats für keine meiner Stationen gereicht, wenn dann nur sehr knapp in Diemtigen (805m):
Bild
Da gab's in anderen Fällen schon deutlich stärkere Föhnlagen, richtig durchgebrochen ist er jedoch bisher (Beobachtung seit 2011) nur 1x und zwar am 29.04.2012 mit bis 107 km/h Böen. Aber im ganzen 2013 scheint bisher, insbesondere für meine beiden unteren Stationen, sowieso flaute zu herrschen :(

Grüsse
fankyy
Zuletzt geändert von fankyy am Fr 25. Okt 2013, 02:44, insgesamt 4-mal geändert.
Wettermessungen in 3662 Seftigen (650m), 3663 Ober Gurzelen (670m) und 3754 Diemtigen (800m) -- Gürbetal & Berner Oberland
http://meteo.fankyy.ch

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