Hallo Forum
Am Mittwoch war eine Rund Loggerauslesen angesagt. Angesichts der ersten beiden richtig kalten Nächte des Winters war die Vorfreude gross...
Ausgangspunkt war der Parkplatz bei Scharten. Kurz vor Sonnenaufgang bot sich dieser Anblick:
Schön anzusehen, aber so gar nicht in meinem Sinn - die Wolkenfelder hatten ab Mitternacht die Abstrahlung verhindert und liessen die Temperatur wieder ansteigen.
Blick gegen die 2. Alpsteinkette - hinter der Lücke liegt das Gräppelental, das Ziel der Exkursion:
Nach schweisstreibendem Aufstieg (eine gute Schicht Pulverschnee über Betonfundament, dazu der eine oder andere Baum, der Burglind zum Opfer gefallen ist) war zuerst die Nebenstation dran. Die steht gut 75 über dem Grund der Senke und 30 m über dem niedrigsten Sattel, wo die Kaltluft überfliesst. Der Logger ist auf 2 m angebracht, der Schnee lag 163 cm hoch:
Unten in der Senke lag der Schnee ähnlich hoch: hier ein Bild, welches den Graben zeigt, welcher das Ried in der Senke entwässert:
Hier eine kurze Videosequenz der Station:
https://kaltluftseen.ch/wp-content/uploads/IMG_0511.mp4. Rechts unterhalb des Solarpanels ist der Sensor zu sehen, welcher die Echtzeitdaten liefert. Links im grösseren Strahlungsschutz ist die Sonde des Datenloggers angebracht. Wenn Ihr den Ton für das Abspielen des Videos einschaltet, dann hört Ihr die Ventilation des Sensors - die offensichtlich auch bei diffusen Strahlungsbedingungen einwandfrei funzt. Zu bedenken ist, dass kein Strom gepuffert wird: Ist Strahlung da, ventiliert es, fallt sie weg, so hört es sehr schnell auf.
Das ist die Station in der Totalansicht (mit den Spuren von widovnir im Hintergrund, danke für den Bericht und die Reko!):
Die Schneehöhe hier betrug 155 cm, die Sensorik ist auf 250 cm angebracht. Es darf sich jeder seine eigene Meinung über die im Blick geäusserte Vermutung, dass die Richtlinien hinsichtlich der Aufstellung der Station nicht eingehalten würden bzw. dass sie eingeschneit worden sein könnte, machen:
https://www.blick.ch/news/schlotter-rek ... 82444.html
Wenden wir uns wieder den schönen Seiten der Natur zu:
Der Ponor entwässert die Senke und ist somit indirekt für die tiefen Temperaturen verantwortlich: Ohne ihn gäbe es hier einen Bergsee... Die abgekippten Schneeblöcke sind im übrigen wohl eine Hinterlassenschaft der Tauflut, welche im Kontext von Burglind aufgetreten ist.
Eigentlich ging es in diesem Thread ja um die kalten Nächten, drum auch noch ein paar Zahlen und Graphiken:
Der tiefste Wert in der Nacht von Montag auf Dienstag betrug -31.1 °C um 06:50 UTC. Anschliessend zogen Stratusfetzen auf, welche ein weiteres Absinken der Temperatur verhinderten. Lässt sich hier schön beobachten:
https://iltios.roundshot.com/
In der Nacht darauf wurde der tiefste Wert bereits um 22:50 UTC mit -33.4 °C erreicht, bevor danach wiederum Bewölkung aufzog.
Sehr ordentlich war die ausgebildete Inversion:
Am Nachmittag war dann der Sämtisersee dran. Beim Aufstieg durch das Brüeltobel kommt man am mysteriösen Hexenwäldli vorbei. Das steht auf einer Schutthalde, welche durch Kaltluftzirkulation unterkühlt wird. Es handelt sich (wohl eher ehemals, angesichts des Klimawandels) um eines der tiefsten potentiellen Permafrostvorkommen der Alpen. Die Minibäumchen sind uralt, vergleichbar mit den grossen Exemplaren im Vordergrund und auf der Seite:
Wer mehr wissen will:
https://mediatum.ub.tum.de/doc/1289473/1289473.pdf
Der Übergang zum Sämtisersee beim Plattenbödeli:
Ein kurzer Schwenk über den Sämtisersee:
https://kaltluftseen.ch/wp-content/uploads/IMG_0526.mp4
Auffällig war die geringe Mächtigkeit der Schneedecke: Es waren nur etwa 30 cm, also massiv weniger als auf der anderen Seite des Alpsteins.
https://kaltluftseen.ch/wp-content/uploads/IMG_0527.mp4
Folgende Gründe können vermutet werden:
- Die Senke funktioniert sehr viel häufiger als Windkanal denn als Kaltluftsee (man beachte die Struktur der Schneeoberfläche in der Videosequenz!), Schnee wird also verblasen - oder bei Föhn gefressen...
- Bei Westanströmung ist der Sämtisersee deutlich abgeschirmter als Hintergräppelen, es fällt von vorneherein weniger Schnee.
Ein letztes Bild, aufgenommen bei der Nebenstation (wiederum für die Inversionsbestimmung) beim Sämtisersee. Die Sonne ist bereits wieder untergegangen und die Temperatur empfindlich gesunken. Zu sehen ist die Swisscom-Leitung zur Bollenwees, welche durch ein Burglind-Opfer unterbrochen wurde:
Temperaturmässig war es am Sämtisersee während der Kältewelle deutlich weniger kalt als auf der Alp Hintergräppelen:
Am Dienstag Morgen wurden um 06:50 UTC -25.0 °C gemessen, in der Nacht darauf betrug das Minimum -27.1 °C (registriert um 05:10 UTC).
Gruss, Stephan