11.10.2015 - Wasserhosen kroatische Adriaküste
Verfasst: So 11. Okt 2015, 03:01
Wäre ich gesundheitlich in einem bessern Zustand und reisetauglich, hätte ich mich möglicherweise auch noch zu einer Gewitter-/Wasserhosen-Tour an die Küste Kroatiens hinreissen lassen. Sie ist traumhaft schön, fotogen und wettertechnisch höchst spannend.
Zwei von unseren Schweizer Stormchaserkollegen, Dominic Kurz und Andreas Walker (Dr. Funnel). Gem. einer Whatsapp-Mitteilung, wurde die grobe Vorhersage für schwere Unwetter bereits am Donnerstag (08.10.15) erkannt und entsprechend im Estofex-Bulletin (vom 09.10.2015) in diesen extremen Unwetterausmassen kommuniziert. Doch die Modelle rechneten im nächsten Lauf alles etwas südlicher; und ein Chasing mit dem Auto nach Albanien, Griechenland usw. ist bei aller Leidenschaft für Extremwetter doch etwas (zu) verrückt (Anm. wenn schon mit dem Flugzeug runterfliegen und Auto mieten...). Na ja...
In der synoptischen Übersicht kratzt man sich schon zunächst am Hinterkopf und fragt sich, ob es sich dabei um eine Art Himmelfahrtskommando handeln könnte, denn die generelle Lage ist für Wasserhosen eher atypisch. Betrachtet man noch die einzelnen Parameter, kombiniert und berechnet, dann besteht A mal ein sehr enges Zeitfenster zwischen 05 00 Uhr und etwa 09 00 / 09 30 Uhr Ortszeit, wobei der Sonnenaufgang und die Sicht aufs Meer entscheidend sind und B besteht die Gefahr von starkem Wind durch die Bora (bei Rijeka und nördlich der Insel Rab) und von sich über dem Meer und zwischen den Inseln sich bildenden Morgennebelfelder, durch Absinken kalter Luftmassen (Bodeninversion), was die Beobachtung einschränkt. Schliesslich könnten C die wenigen verbleibenden und matchentscheidenden Parameter zu optimistisch gerechnet worden sein; und aus der oberen Troposphäre kommt so gut wie keine Unterstützung (keine Höhendivergenzfelder, schwache Vorticity usw.), was das Unternehmen auf Gedeih und Verderb ziemlich risikoreich macht.
Normalerweise schwenkt ein Langwellentrog, spitz und sehr ausgreifend nach Osten durch, davor eine knackige Kaltfront, vielfach nach einem konvektiv sehr interessanten Setup nach entsprechendem Tagesgang, oder ein Kaltlufttropfen rauscht irgendwo entlang der adriatischen Balkanküste Richtung Split und die kroatischen Sturmjäger beglücken uns wieder mit dutzenden eindrücklicher Wasserhosen-Fotos (Pijavica genannt, was u.a. auch "Blutegel" heisst).
Vermutlich wollten deshalb Dominic und Andreas zunächst auch nach Split, wovon ich ihnen abriet. Ich bot ihnen ein "grobes" Forecast und ein Nowcast an und wir vereinbarten der Einfachheit halber, dass ich dies hier, zu ihrer Verfügung im Forum kurz zusammenfasse:
Übersicht:
Entscheidend ist das markante Bodentief von rd. 996 hPa vor der kroatischen Küste, welches während seiner Genese eine eigene Okklusion mit angehängter Warm- und Kaltfront bildet. Eine schwache Tropopauseneinbuchtung vermag die polare Kaltluft über Italien nach Osten umzulenken, doch sie ist nicht so dynamisch, wie wenn sie z.B. entlang einer markanten Trogachse fliessen würde. Dennoch wird sie durch das Nord-Süd-Druckgefälle (Bodentief) beeinflusst und südlich der Alpenkette zum Absinken gezwungen. Es handelt sich hier um eine eher seltenere Vc-Lage, die in der Region um Rijeka doch ansehnliche Bora-Spitzenböen von 96-100 km/h bringen wird. In diesem Abschnitt, zwischen Rijeka und der Insel Rab herrscht zuviel Wind für die Wasserhosengenese. Zudem ist im Bodenwindfeld (10m-Wind) IMMER darauf zu achten, dass er aus SSO / SO kommt, bzw. eine SW-/S-Strömung im Bereich mikroscaligen Windverhältnissen, die orografisch bedingt sind, entsprechend abgelenkt wird. Das ist in der Cinque Terre (Italien), in der Bucht von Genua oder Triest, bzw. zwischen den Inseln bei Kroatien so. Da es sich um nonconvective vortices vom Typ II handelt, interessieren eigentlich CAPE usw. nicht, obwohl ein wenig CAPE fördernd sein kann. Im vorliegenden Fall sind aber die Lapse-Rates von der Oberfläche des Meeres ausgerechnet (SFC - 500 m AGL), die LCL-Differenz, die Feuchteflussadvektion, (wie gesagt) das Bodenwindfeld, die 600 hPa-Strömung und die potentielle Vorticity bis in die mittlere Troposphäre die wichtigsten Parameter. Der Einfluss der Steilküste, die die Luftmasse zum Aufsteigen zwingt ist auch nicht zu unterschätzen; möglich dass die KO-Index-Berechnungen und die Modellierung des VV 700 hPa darauf zurückzuführen sind, zumal ja kaum konvektive und höhendivergente Energien zu verzeichnen sind. Spannend!!!!
Bei Lightning Wizard schlägt der Spout-Index, d.h. der Vorhersage-Parameter für Wasserhosen mit 5 Stufen (!!!) an, was sehr viel und vielversprechende ist! Dass die Modellierung etwas Off-Shore-lastig ist, hat meiner Meinung nach keine Bedeutung, was ich Dominic und Andreas bereits kommunizierte, da die Wasseroberflächentemperatur, bzw. die Differenz von jener zur Lufttemperatur ein weiterer Genesepunkt bedeutet und in Küstennäghe diese Bedingungen optimaler sind.
Ich habe den Spotterplatz nördlich von Zadar als Anfangspunkt empfohlen........
..... sowie die von dort aus in Richtung SO perfekt der Küste entlang verlaufende Strasse mit guter Sicht aufs Meer in Richtung Sibenik....
https://www.google.ch/maps/place/Zadar, ... 1c13f40784
Über die extremen Niederschläge (bis 106 mm) wurde auch gestern Abend bereits im kroatischen Sturmforum berichtet......
http://www.crometeo.net/phpbb/viewtopic ... &start=525
.....und wenn auch dieser Blitzteppich bei Albanien etwas dramatischer aussieht, als er gewesen ist.....
.... gab es sicher Unwetter, die sich in Richtung Osten auch im Verlauf des Sonntags (mit Tornados...) fortsetzen.....
Kärtchen folgen....
Gruss Cyrill und gute Fahrt (ihr werdet ja in rd. 30 Minuten in Zadar sein....)
Zwei von unseren Schweizer Stormchaserkollegen, Dominic Kurz und Andreas Walker (Dr. Funnel). Gem. einer Whatsapp-Mitteilung, wurde die grobe Vorhersage für schwere Unwetter bereits am Donnerstag (08.10.15) erkannt und entsprechend im Estofex-Bulletin (vom 09.10.2015) in diesen extremen Unwetterausmassen kommuniziert. Doch die Modelle rechneten im nächsten Lauf alles etwas südlicher; und ein Chasing mit dem Auto nach Albanien, Griechenland usw. ist bei aller Leidenschaft für Extremwetter doch etwas (zu) verrückt (Anm. wenn schon mit dem Flugzeug runterfliegen und Auto mieten...). Na ja...
In der synoptischen Übersicht kratzt man sich schon zunächst am Hinterkopf und fragt sich, ob es sich dabei um eine Art Himmelfahrtskommando handeln könnte, denn die generelle Lage ist für Wasserhosen eher atypisch. Betrachtet man noch die einzelnen Parameter, kombiniert und berechnet, dann besteht A mal ein sehr enges Zeitfenster zwischen 05 00 Uhr und etwa 09 00 / 09 30 Uhr Ortszeit, wobei der Sonnenaufgang und die Sicht aufs Meer entscheidend sind und B besteht die Gefahr von starkem Wind durch die Bora (bei Rijeka und nördlich der Insel Rab) und von sich über dem Meer und zwischen den Inseln sich bildenden Morgennebelfelder, durch Absinken kalter Luftmassen (Bodeninversion), was die Beobachtung einschränkt. Schliesslich könnten C die wenigen verbleibenden und matchentscheidenden Parameter zu optimistisch gerechnet worden sein; und aus der oberen Troposphäre kommt so gut wie keine Unterstützung (keine Höhendivergenzfelder, schwache Vorticity usw.), was das Unternehmen auf Gedeih und Verderb ziemlich risikoreich macht.
Normalerweise schwenkt ein Langwellentrog, spitz und sehr ausgreifend nach Osten durch, davor eine knackige Kaltfront, vielfach nach einem konvektiv sehr interessanten Setup nach entsprechendem Tagesgang, oder ein Kaltlufttropfen rauscht irgendwo entlang der adriatischen Balkanküste Richtung Split und die kroatischen Sturmjäger beglücken uns wieder mit dutzenden eindrücklicher Wasserhosen-Fotos (Pijavica genannt, was u.a. auch "Blutegel" heisst).
Vermutlich wollten deshalb Dominic und Andreas zunächst auch nach Split, wovon ich ihnen abriet. Ich bot ihnen ein "grobes" Forecast und ein Nowcast an und wir vereinbarten der Einfachheit halber, dass ich dies hier, zu ihrer Verfügung im Forum kurz zusammenfasse:
Übersicht:
Entscheidend ist das markante Bodentief von rd. 996 hPa vor der kroatischen Küste, welches während seiner Genese eine eigene Okklusion mit angehängter Warm- und Kaltfront bildet. Eine schwache Tropopauseneinbuchtung vermag die polare Kaltluft über Italien nach Osten umzulenken, doch sie ist nicht so dynamisch, wie wenn sie z.B. entlang einer markanten Trogachse fliessen würde. Dennoch wird sie durch das Nord-Süd-Druckgefälle (Bodentief) beeinflusst und südlich der Alpenkette zum Absinken gezwungen. Es handelt sich hier um eine eher seltenere Vc-Lage, die in der Region um Rijeka doch ansehnliche Bora-Spitzenböen von 96-100 km/h bringen wird. In diesem Abschnitt, zwischen Rijeka und der Insel Rab herrscht zuviel Wind für die Wasserhosengenese. Zudem ist im Bodenwindfeld (10m-Wind) IMMER darauf zu achten, dass er aus SSO / SO kommt, bzw. eine SW-/S-Strömung im Bereich mikroscaligen Windverhältnissen, die orografisch bedingt sind, entsprechend abgelenkt wird. Das ist in der Cinque Terre (Italien), in der Bucht von Genua oder Triest, bzw. zwischen den Inseln bei Kroatien so. Da es sich um nonconvective vortices vom Typ II handelt, interessieren eigentlich CAPE usw. nicht, obwohl ein wenig CAPE fördernd sein kann. Im vorliegenden Fall sind aber die Lapse-Rates von der Oberfläche des Meeres ausgerechnet (SFC - 500 m AGL), die LCL-Differenz, die Feuchteflussadvektion, (wie gesagt) das Bodenwindfeld, die 600 hPa-Strömung und die potentielle Vorticity bis in die mittlere Troposphäre die wichtigsten Parameter. Der Einfluss der Steilküste, die die Luftmasse zum Aufsteigen zwingt ist auch nicht zu unterschätzen; möglich dass die KO-Index-Berechnungen und die Modellierung des VV 700 hPa darauf zurückzuführen sind, zumal ja kaum konvektive und höhendivergente Energien zu verzeichnen sind. Spannend!!!!
Bei Lightning Wizard schlägt der Spout-Index, d.h. der Vorhersage-Parameter für Wasserhosen mit 5 Stufen (!!!) an, was sehr viel und vielversprechende ist! Dass die Modellierung etwas Off-Shore-lastig ist, hat meiner Meinung nach keine Bedeutung, was ich Dominic und Andreas bereits kommunizierte, da die Wasseroberflächentemperatur, bzw. die Differenz von jener zur Lufttemperatur ein weiterer Genesepunkt bedeutet und in Küstennäghe diese Bedingungen optimaler sind.
Ich habe den Spotterplatz nördlich von Zadar als Anfangspunkt empfohlen........
..... sowie die von dort aus in Richtung SO perfekt der Küste entlang verlaufende Strasse mit guter Sicht aufs Meer in Richtung Sibenik....
https://www.google.ch/maps/place/Zadar, ... 1c13f40784
Über die extremen Niederschläge (bis 106 mm) wurde auch gestern Abend bereits im kroatischen Sturmforum berichtet......
http://www.crometeo.net/phpbb/viewtopic ... &start=525
.....und wenn auch dieser Blitzteppich bei Albanien etwas dramatischer aussieht, als er gewesen ist.....
.... gab es sicher Unwetter, die sich in Richtung Osten auch im Verlauf des Sonntags (mit Tornados...) fortsetzen.....
Kärtchen folgen....
Gruss Cyrill und gute Fahrt (ihr werdet ja in rd. 30 Minuten in Zadar sein....)