Hoi zäme
Es war mein bisher weitestes Chasing, über 1'000 km von Winterthur entfernt und quasi unter Realbedingungen von Xtreme Weather Tours. Fazit: es war hammermässig und teils wurden meine Erwartungen sogar noch übertroffen!
Obwohl in der Ausgangssituation eine eher klassische Troglage herrschte, spielten hingegen einige schwer einschätzbare Faktoren mit; mitunter korrigierte GFS alle 6 Stunden und passte sich Cosmo 7 an. Zudem ist noch nicht Hochsommer; d.h. im August wäre diese Lage vermutlich noch explosiver.
Schwer einschätzbar war z.B. der massiv vorstossende Höhenkeil nach Osten, das Bodentief über Norditalien, welches eher nach Vc / Vd zu bewerten war und das Timing beim Durchschwenken der Trogachse. Doch generell war meine Interpretation der Karten zutreffend und mein erstes Chasing in Kroatien ein voller Erfolg. Es wurde eine lange Nacht
Der Reihe nach....
Chasingbericht (26.-28.05.2011); Fotos und Video's folgen später:
Am späteren Vormittag am 26. Mai fuhr ich über das Tösstal nach Pfäffikon ZH, um die erste Zelle im Oberland von Nordwesten her abzufangen. Oberhalb des Pfäffikersees stehend, rauschte die imposante Gewitterfront mit Core bei Wetzikon / Bauma vor mir durch, mit kräftigen CG's.
Eine zweite Zelle, leicht östlich versetzt kam von Luzern her in Richtung Einsiedeln; und ich stand in einem hoffnungslosen Verkehrsstau vor Rapperswil. Kurz vor Einsiedeln erwischte ich noch die Westflanke (4 Blitze in der Nähe). Wieder etwas nach Osten versetzt entstand bei Schwyz eine dritte Zelle und ich positionierte mich bei Unterägeri am Nordufer des Sees, wo ich dann auch voll im Core war. Die Zelle schwächte ab und die Blitzrate sank rapid und bei diesem extremen NS war kaum an's fotografieren oder filmen zu denken.
Ich fuhr über den Sattel nach Schwyz und sah bei einer Pause in Altdorf, dass von Varese (I) eine Zelle sich dem Tessin nähert. Bei Biasca nahm das Geflacker der Blitze im Süden zu, inzwischen Nacht geworden. Ich entschied noch nicht zu filmen, leider, dachte "....zu unspektakulär." Nur zwei Minuten später schlug ein Mega-Perlschnurblitz vor mir neben der Autobahn ein. Damit muss man leben.....
Die nächste Zelle näherte sich aus Südwesten, direkt auf die Südspitze des Tessins zu. Ich rief Ralph an, der dies auf dem Sat24-Bild auch so sah. Die mühsame Baustelle bei Lugano existiert immer noch (seit über zwei Jahren!); keine Chance irgendwo anzuhalten - und die Melide/Morcote-Variante wie vor drei Jahren mache ich NIE mehr. Man verliert zu viel Zeit. Bei einem Parkplatz vor Mendrisio hielt ich an und sah auf dem Radar, dass die Zelle ein Leftmover war, die ursprüngliche Zugbahn verliess und die gewaltigen CG's nur wenige hundert Meter hinter mir einschlugen, mit infernalischem Sound. Doch ich hatte vor den LKW's geparkt.....; filmen, keine Chance.
Die nächste Zelle näherte sich aus Italien; Zugbahn in Richtung Como. Doch diesmal durchschaute ich den Zellencharakter, berechnete die Leftmover-Zugbahn und positionierte mich bei einem meiner Lieblingsspotterplätze. Nur gerade zwei Minuten, nachdem ich dort angekommen war, schlug die Zelle mit brachialer Gewalt über mir herein. Starkniederschlag, Kleinhagel und eine Blitzrate von bis zu drei Blitzen pro Sekunde; kaum verebbender Donner! Als dieses kurze, infernalische Gewitter vorbei war, hatte ich zwar super Aufnahmen, doch ich sah aus, als wäre ich in den Lago Maggiore gefallen: klitschnass. Ca. eine Stunde später entstand südwestlich von Varese noch eine kleine Zelle, doch sie starb vor der Grenze und auf den Fotos sind die Linienblitze nur schwach auszumachen.
Am 27.05.2011, nach wenigen Stunden Schlaf, mehreren Kaffees und einem Updatestudium der aktuellen Karten, sowie einer Lagebesprechung mit Andreas (Winterthur) sah ich auf dem Donnerradar nordwestlich von Mailand neue Zellen auf Nordostkurs. Kurz nach Como vor mir eine schwarze Wand, westlich der Autobahn schlugen CG’s ein und ich fuhr wenig später unter der Front durch. Naheinschläge von unter 300 Metern.
Ich hielt auf einer Raststelle nördlich von Mailand an, um mir einen Überblick zu verschaffen. Da kam eine Zelle auf mich zu, wie ich sie vor allem von Fotos aus den USA kenne. Plötzlich schraubte sich ein riesiger Funnel aus der Wolkenuntergrenze, wunderschön auskondensiert, mit glatter, rotierender Trichterstruktur. Dies war meine bisher grösste Trombe, die ich je erlebt habe; und dann noch so nah (Video folgt).
Ich fuhr weiter nach Venedig. Als ich etwa auf Höhe Verona war, meldete Ralph eine Zelle beim Gardasee. Die sah ich schon, doch ich musste weiter und mich beeilen, denn es war noch weit bis Rijeka. Kein Wunder, dass es hier an der nordadriatischen Küste nicht richtig ausgelöst hatte; Clowdcover fast 90%. Doch Ralph’s Hinweis (gem Sat.-Bild) auf einen wolkenlosen Himmel bei Triest, gab Hoffnung.
Endlich in Slowenien angekommen, gleich weiter nach Rijeka (Kroatien) gefahren. Bei einer Tankstelle Internetzugang gekauft. Mir blieb nur wenig Zeit, denn südwestlich von mir zeigte sich bereits der Eisschirm einer riesigen Zelle über der Adria. In Richtung Nordosten waren dreifach geschichtete Lenticularis zu beobachten. Der Hochdruckkeil musste also schon weit nach Osten vorgestossen sein, Südföhn in den Karawanken (sog. "Jauk") verursachend. Diese trockene Luft stiess bis Zagreb vor, weshalb die dortigen Quellungen immer wieder zusammenbrachen, trotz vorhergesagten 2'600 J/kg CAPE. „Wenn das nur gut geht!“ dachte ich.
Nachdem ich auf dem Sat-Bild die Zelle über der Adria in Richtung Rijeka kommen sah, positionierte ich mich etwas südlich von Bakar, auf einer Anhöhe bei einer Tankstelle und hatte einige Minuten Zeit für Getränke und Verpflegung zu mir zu nehmen. Dann der erste CG auf der anderen Seite der Bucht, rd. 4 km entfernt. Doch die Zelle brach schnell ein und nach nur kurzem Geflacker war Schluss. Es regnete nur noch und wurde schnell sehr kalt, während ein Nordwind blies. Was nun? War’s das schon?
Vor meiner Abfahrt in Winterthur, sagte ich Andreas (Winterthur), dass ich mich vermutlich am besten bei Pula in Istrien positionieren müsste. Nun stand ich, inzwischen war es bereits Nacht, bei Rijeka im Landregen und auf dem Sat.-Bild war nichts Konvektives mehr zu sehen, auch über der gesamten Adria nicht. Die Autobahn bis Pula (über 90 km) kostet 8 Euro......; ich zögerte kurz.
Dann folgte ich meiner Intuition, trotz eisiger Kälte. Schliesslich rechnete Cosmo 7 mit steigenden CAPE auf Istrien ab 00z und ich entschied um 23 50 Uhr MESZ nach Pula zu fahren. Keine Ahnung von der Topografie, den üblichen Wetterverhältissen; unbekanntes Chasingterrain; volles Risiko. Inkl. kurzer Pause in der Nähe von Pazin, kam ich um ca. 01 30 Uhr in Pula an, fuhr weiter nach Premantura, an der äussersten Südspitze von Istrien.
Plötzlich ging mein Internet nicht mehr... (zu diesem Zeitpunkt hätte ich nach Norden fahren sollen!) Ein Restaurant hatte noch geöffnet, welches soeben von einem Bus voll armenischer Nonnen „gestürmt“ wurde. Im Restaurant gab es Wireless-LAN, also ab ins Internet, kurz einen Kaffee und „oha!“ Aus dem Nichts hatte sich entlang der Küste Istriens eine massive Gewitterfront entwickelt, die ONO zog und immer wieder südlich anbaute. Hell erleuchtete Wolkentops und alle paar Sekunden Megadonner, die sich wie Artillerie anhörte. Die Front war nur rd. 25 km nördlich von meinem Standort entfernt und baute nicht mehr weiter südlich an. Noch vor einer Stunde war ich von Norden her über Pazin und Vodnjan nach Pula unterwegs. Ich wäre nur wenige Kilometer nördlich von Vodnjan (bei Pula) von der Front überrollt worden.
Es war inzwischen ca. 03 00 Uhr morgens, als ich nach Pula fuhr und dort wieder Zugang zum Internet hatte. Über der Adria war ein ganz schwaches, gekrümmtes Wolkenband (im IR-Sat-Bild leicht gräulich) erkennbar. Plötzlich war mir (intuitiv) klar, dass dies mit dem bei GFS bei 03z aus den karten herauszulesenden Event zu tun haben müsste. Ich fuhr also wieder 80 km weiter nach Norden, nach Umaq (Nordwestküste von Istrien), wo ich um ca. 04 15 Uhr MESZ kurz vor der Stadt eine kleine Pause machte. Nichts deutete auf Gewitter hin; doch nur ca. 3 Min. später plötzlich ein greller Blitz, rd. 2,5 km von mir entfernt. Ich fuhr in den Küstenbereich, wo sich genau über mir eine Front aufbaute. Im fahlen Licht der Morgendämmerung und während den zunehmenden Blitzentladungen, sah ich fast über mir einen schön auskondensierten, grossen, rotierenden Funnel. Leider habe ich nur zwei Fotos.
Danach war alles völlig chaotisch. Das erste Gewitter bei Umaq kam aus WNW, bzw. entstand über mir, verschwand kurz im Südosten, drehte wieder und kam aus ONO zurück, verschwand wieder und kam aus SW / SSW zurück. Alles drehte sich! Jedenfalls ging am Ende die Sonne dort auf, wo ich niemals Osten vermutet hätte.....
Um ca. 07 00 Uhr fuhr ich die ca. 300 km bis zur Insel Rab nach Süden.
Gruss Cyrill